23.08.2014

Renate liest: Maria und ich

Maria und ich
Miguel Gallardo
Aus dem Spanischen von Isa Marin Arrizabalaga
68 Seiten, zweifarbig, Hardcover
Reprodukt

Einzigartig wie jeder andere auch


In Maria und ich stellt uns Miguel Gallardo auf berührende Weise seine autistische Tochter Maria vor und skizziert in klaren Worten die fremde und zauberhafte Welt, in der sie lebt – soweit er sie von außen erraten kann. Maria braucht eine klare Ordnung und feste Abläufe in ihrem Leben, da es Autisten schwerfällt zukünftige Ereignisse vorherzusehen. Wenn sie sich unwohl fühlt fängt sie an zu brüllen und ist nur schwer zu beruhigen. Beim jährlichen gemeinsamen Urlaub der beiden auf den Kanaren werden die Besonderheiten, Schwierigkeiten, aber auch die bereichernden Momente des Zusammenlebens mit Maria greifbar.

Die verständnislosen Blicke, die Maria von einigen Menschen auf sich zieht, verletzen nicht nur den fürsorglichen Vater, sondern treffen auch den Leser. Solch bedrückende und verärgernde Momente werden allerdings schnell wieder durch den sonnigen und leichten Humor des Comics aufgelöst. Maria bei ihren Lieblingsbeschäftigungen, wie stundenlang Sand durch die Finger rieseln zu lassen oder immer wieder die Namen der ihr bekannten Personen aufzuzählen, zu beobachten ist genauso faszinierend und unterhaltsam, wie die ungewöhnlichen Gesprächen von Vater und Tochter zu verfolgen.

Die detailverliebten Beschreibungen des Hotels, der Urlaubsaktivitäten und der anderen Hotelgäste, die von der herausragenden Beobachtungsgabe Gallardos leben, lassen die Erzählung nachvollziehbar und zum Greifen nah erscheinen. Die Einfachheit der groben Zeichnungen mit roter Schmuckfarbe – zum Beispiel bei Marias Gebrüll, wenn sie nervös wird – unterstreichen die Handlung ohne sie zu überschatten.

Der zärtliche und stolze Blick des Vaters auf seine außergewöhnliche Tochter überträgt sich automatisch auf den Leser, sodass am Ende des Comics niemand etwas Falsches an der Aussage „Maria ist die beste Tochter, die sich ein Vater wünschen kann.“ finden könnte. Die große Leistung von Maria und ich ist einen für viele schwer fassbaren Sachverhalt auf so selbstverständliche Weise zu schildern, dass er einem ganz alltäglich erscheint und so vielleicht einige Vorurteile gegen Autisten ausgeräumt werden können. In fast Sachbuch-artigem Stil wird erklärt, wie man am besten mit Maria und anderen Autisten umgehen sollte und wie man ihnen das Leben erleichtern kann – zum Beispiel hilft Gallardo seiner Tochter bei der Orientierung durch Zeichnungen von Menschen und Gegenständen. Er drückt in diesem Comic seine Dankbarkeit für alle Menschen aus, die Maria unterstützen und ihr ohne Vorbehalte begegnen und seine tiefe, staunende Liebe zu ihr.

Miguel Gallardo ist eher als Illustrator bekannt und hat nur einige wenige Comics veröffentlicht. Für Maria und ich wurde er mit mehreren Preisen bedacht.

Die deutschsprachige Ausgabe von Maria und ich von Maria und Miguel Gallardo erschien 2010 im Reprodukt-Verlag, umfasst 68 Seiten, inklusive einem Nachwort der Kinder- und Jugendpsychiaterin Amaia Hervas Zuñiga und steht in der Renate Comicbibliothek in der Erwachsenenabteilung zur Ausleihe zur Verfügung. 

von Katharina Drescher

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